Kulturgut auf vier Pfoten

Der Österreichische Pinscher mit dem munteren und aufgeweckten Gesichtsausdruck ist ein mittelgroßer, stämmiger Hund mit oder ohne weiße Abzeichen in den Farben semmelgelb, braungelb, hirschrot oder schwarz mit lohfarbenen Abzeichen.

Der sogenannte Landpinscher war bereits viele Jahrzehnte lang quer durch Mitteleuropa weit verbreitet. Er lebte auf Bauernhöfen, hütete das Vieh und wachte über Haus und Hof. Seine geringe Größe, die dichte und kurze Unterwolle sowie seine Hoftreue prädestinierten ihn als Hund der Bauern.

Zur Festigung der typischen (Land-)Pinschereigenschaften begann DDr. Emil Hauck Anfang der 1920er Jahre mit der planmäßigen Zucht und setzte sich für die Anerkennung der Rasse als Österreichischer kurzhaariger Pinscher durch den ÖKV ein, welche am 16. Oktober 1928 erfolgte. Die Rasse Österreichischer Pinscher zählt somit zu einer der ältesten Hunderassen Europas.

Nach dem hoffnungsvollen Start der planmäßigen Zucht verschwand der Österreichische Pinscher beinahe vollständig in der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs und geriet zunehmend in Vergessenheit.

In den 70er Jahren gab es nur noch einen einzigen zuchttauglichen Rüden weltweit, Diokles von Angern. Die enge Zusammenarbeit weniger engagierter Züchter in den Folgejahren (Verein für Hundefreunde – Zuchtwart T. Wochian – AT, Fam. Mangold – AT, I. Hartgers-Wagener – NL, Fam. Baumkirchner – DK) bewahrte den Österreichischen Pinscher vor dem Aussterben. 2000 wurde der Rassename von Österreichischer kurzhaariger Pinscher auf Österreichischer Pinscher geändert.

Seither erfreut sich der Österreichische Pinscher aufgrund seiner rassetypischen Eigenschaften und Vielseitigkeit zunehmender Beliebtheit. ÖPi-Liebhaber schätzen seinen unbestechlichen Wachinstinkt, bedingt durch seine Skepsis gegenüber fremden Personen, seine Begeisterungsfähigkeit für diverse Hundesportarten und Freizeitaktivitäten, seine Haus- und Hoftreue sowie seine starke Bindung zur eigenen Familie.

ÖPi und Landpinscher

Angesichts der damaligen Entwicklung zu einem minimalen Stock an Zuchthunden könnte man vielleicht gesundheitliche Folgen aus Linienzucht oder gar Inzucht befürchten. Glücklicherweise sind die Bedenken überflüssig: ÖPis sind in der Regel robuste, gesunde Hunde, die den Tierarzt meist nur zu Impf- oder Entwurmungsterminen sehen.

Abgesehen von Krankheiten, wie sie bei allen Hunden und auch bei uns Menschen unter dem Einfluss von Hektik und Stress sowie ungesunder Ernährungs- und Lebensweise gehäuft auftreten, ist der ÖPi beneidenswert gesund geblieben. Das mag damit zusammenhängen, dass der letzte reinrassige Deckrüde, der in den 70er Jahren noch verblieben war, mit einer Landpinscherhündin verpaart wurde, die nicht überzüchtet war und dem Typ eines Pinschers entsprach. Damit geschah genau das Gegenteil von dem, was bei Moderassen passiert: Das genetische Potential wurde nicht in kürzester Zeit von Null auf Hundert befördert, sondern die Zucht blieb stets im kleinen Rahmen überschau- und kontrollierbar.

Von den Anfängen bis heute wird die Reinzucht überdies von dem sogenannten Landpinscherprojekt begleitet, das der Erweiterung des Genpools dient. Im Rahmen dieses Projekts werden Hunde, die im Wesen und in der Optik (phänotypisch) dem Rassestandard entsprechen, aber keine Ahnentafeln haben, miteinander verpaart. Ihre Nachkommen können dann, wenn sie über drei Generationen hinweg dem Typ des Österreichischen Pinschers in Bezug auf äußere Merkmale, Wesen und Gesundheit entsprechen, ins Zuchtbuch eingetragen werden, da dieses nach Bedarf auch heute noch für solche „Neuzugänge“ geöffnet werden kann. Dies dient der Gesundhaltung der Rasse und genetischen Vielfalt.

Zudem arbeiten Züchter und KÖP Hand in Hand. Verpaarungspartner werden unter Berücksichtigung der Gesundheit, des Wesens, des rassetypischen Erscheinungsbildes und der genetischen Vielfalt der Gesamtpopulation ausgewählt.

Tausendsassa mit großem Herzen

Der Österreichische Pinscher ist – neben vier Bracken – der einzige Hund seiner österreichischen Heimat, der kein Jagdhund ist. Das war auch ganz nach dem Gusto der Bauern: Früher besaßen nur Landesfürsten und deren „edel geborene” Hunde das Jagdrecht.  Bauernhunde, die jagten oder eben „wilderten“ wurden selten gut behandelt. Das einzige Vieh, das sie jagen durften, ja mussten, waren Ratten, Mäuse und andere unerwünschte Nagetiere.

Haus und Hof hingegen – das ist in den Augen des ÖPis „alles seins“. Er ist ein sehr aktiver und bewegungsfreudiger Hund, treibt geschickt und selbstständig das Vieh in den Stall oder auf die Weide und ist ein zuverlässiger und unbestechlicher Wächter, auch wenn sein Hof heute manchmal Wohnung oder Einfamilienhaus ist. Jeder Fremde wird erst einmal mit Gebell als Eindringling gemeldet, denn erst will der ÖPi sicher sein, dass alles mit rechten Dingen zugeht.

Ohnehin verfügt er über das, was man bei Hunden „erwünschtes Misstrauen“ nennt, und Fremde müssen erst sein Vertrauen erwerben, ehe sie „dazugehören“. Auf dem Land meistens kein Problem – in städtischer Wohndichte aber nicht immer die ideale Ausgangslage für nachbarschaftliche Harmonie.

Hat der Österreichische Pinscher aber „seine“ Menschen einmal ins Herz geschlossen, geht er für sie durchs Feuer und man hat in ihm einen Freund mit einem ganz großen Herzen fürs Leben gewonnen. Und spätestens dann merkt man auch, was für ein weicher Kern in der manchmal rauen Schale steckt: Manch ein ÖPi kann nämlich von Kraul- und Streicheleinheiten nicht genug bekommen. Das gehört schließlich zum Schönsten im Leben dazu!

Birne und Knopfohr

Wenige sind dem Österreichischen Pinscher je live begegnet, weil er bisher recht selten war. Glücklicherweise trifft man jedoch immer häufiger auf ihn. Der robuste Haus- und Hofhund aus Österreich gewinnt zunehmend an Bekanntheit. Trotzdem ist der Bestand noch immer recht klein: Etwas über tausend Rassevertreter dürften es zurzeit sein, die Hälfte davon in der österreichischen Heimat. Zuchtstätten gibt es inzwischen auch in Deutschland, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen, der Schweiz und Tschechien.

Wer sich ein Bild von der Rasse machen will, sieht sich im Internet erst einmal mit einem ganzen Bilderbuch voller ÖPis konfrontiert und reibt sich vielleicht die Augen, denn keiner der abgebildeten Hunde sieht aus wie der andere, auch wenn sie natürlich in Bezug auf den „Pinscher-Look“ übereinstimmen. Dem für einen Laien uneinheitlichen Erscheinungsbild zum Trotz: Es gibt auch für den Österreichischen Pinscher verbindliche Regeln dafür, wie sein Exterieur beschaffen sein sollte – allerdings ist dieser Standard, der 1928 aufgeschrieben wurde, nicht ganz so einengend, wie jener anderer Rassen.

Insgesamt ist der Österreichische Pinscher ein robuster, stämmiger Hund von mittelgroßer Statur (42-50 cm Stockmaß). Sein Gewicht liegt meist zwischen 14 und 20 bis maximal 25 kg. Die Rute ist hoch angesetzt, kräftig, mittellang, dicht behaart und wird nach Belieben getragen. Der Kopf des ÖPi soll laut Standard birnenförmig sein: Der breit gewölbte Oberschädel weist eine deutliche Stirnfurche und Stirngrube auf. Seine dunklen Pinscheraugen mit wacher Präsenz – und manchmal auch ziemlich viel Schalk – blicken dabei mit voller Neugier in die Welt. Das Knopfohr (Kippohr) ist klein, hoch angesetzt und prägt, genau wie die Augen mit dem lebhaften Blick, wesentlich den Ausdruck des Österreichischen Pinschers.

Spaß im Mensch-Hunde-Team

Ein junger, gesunder ÖPi ist ein aktiver, bewegungsfreudiger Hund. Er ist der ideale Begleiter auf Wanderungen jeder Art, und eine Leine braucht er, sofern keine Leinenpflicht besteht, eigentlich nicht, da er seinen Menschen kaum aus den Augen lässt. Dabei ist der Österreichische Pinscher von einer Ausdauer, um die ein Zweibeiner ihn nur beneiden kann.

Lebhaft, unermüdlich und aufmerksam wie er ist, gibt es für den unternehmungslustigen Hund fast nichts, was er nicht liebt: Fußball spielen, Bällchen holen, Spielzeug umformen (manchmal auch Dinge, die man lieber nicht umgeformt haben möchte), über Hindernisse und Hürden springen oder auf der Wiese Löcher buddeln und Mäuse fangen und was der vergnüglichen Aktivitäten mehr sind – Hauptsache, es ist etwas los!

Es gibt Österreichische Pinscher, die als Hofhunde ihren Einsatz leisten, andere lieben Nasen- und Fährtenarbeit oder Sportarten wie Agility oder Obedience, und es gibt auch richtige Wasserratten unter den ÖPis, die gerne schwimmen, Boote aus dem Wasser bergen oder Rettungsringe zu Schwimmern in Not bringen. Einzelne ÖPis, bei denen die Skepsis gegenüber Fremden nur schwach ausgeprägt ist, unterstützen Herrchen oder Frauchen sogar bei der Therapiearbeit.

Wichtig ist, dass man herausfindet, wo die Fähigkeiten des eigenen Pinschers liegen und welche Aktivitäten ihm besonders zusagen. Dies braucht ein bisschen Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen vonseiten des Zweibeiners, und schon lässt sich eine beglückende Teamarbeit zwischen Mensch und Hund aufbauen!